Stadtbaukunst des Deutschen Ordens
Wolframs-Eschenbach erstreckt sich südwestlich von Nürnberg auf dem sanftwelligem Landrücken zwischen Rezat und oberer Altmühl. Schon von weitem winkt die bunte Kirchturmspitze und bietet Orientierung an. Es lässt sich ein Ort erkunden, der im Kern noch von Mittelalter und Renaissance geprägt ist. Äußerlich von kleinem Format, klingt im Rhythmus der Bauten eine seltene Stimmigkeit an. Der ehemalige Stadtherr, der Deutsche Orden, wollte nach eigener Aussage „schöne Städte“ und „köstliche Häuser“ errichten.
Nachdem der Ritterorden um das Jahr 1212 hier Fuß gefasst hatte, erhielt er von Kaiser Ludwig dem Bayern im Jahr 1332 das Recht, aus Eschenbach „eine Stadt zu machen“. Konnten die Ordensherren in ihrem Kernland, in Preußen, längst planen, wie sie wollten, so stiegen sie innerhalb des Heiligen Römischen Reiches erstmals in Eschenbach zum uneingeschränkten Stadtherren auf und zeigten, was sie konnten.
Das Liebfrauenmünster
Bereits für das Jahr 1236 ist ein „Haus“ des Deutschen Ordens in Eschenbach nachweisbar. 1253 traten erstmals ein Komtur und sechs weitere Brüder der örtlichen Kommende urkundlich in Erscheinung. Sie waren in dieser Zeit unter anderem damit beschäftigt, die stattliche Saalkirche aus dem 12. Jahrhundert durch eine noch größere Ordenskirche zu ersetzen, die sich mit starker Körperlichkeit emporheben sollte.
Die Ordensbrüder und ihre Baumeister reagierten geschickt und schnell auf Neuerungen in der Architektur. Die drei unteren spätromanischen Geschosse des Turmes gehören der Zeit um 1250/60 an und verweisen auf die Bauhütte von St. Sebald in Nürnberg. Der frühgotische Chor, der um 1260/70 erstellt wurde, gibt mit geradem Abschluss und kraftvoller, rhythmischer Einwölbung die elitäre Kunst der Zisterzienser zu erkennen; spürbar ist die gewisse Abhängigkeit vom Refektorium des Klosters in Heilsbronn. Im Langhaus, das der Zeit zwischen 1270 bis 1310 zuzuordnen ist, macht sich wiederum die volkstümliche Bauweise der Bettelorden bemerkbar; ähnlich wie bei der Franziskanerkirche in Würzburg handelt es sich bereits um einen Hallenraum, aber erst hier, im Eschenbacher Münster, wird nun der weiträumige, einheitliche Charakter der Hallenkirche betont. Mitte des 15. Jahrhunderts wurde der Turm um zwei spätgotische Geschosse erhöht und mit 63 Metern zum höchsten Kirchturm in der Diözese Eichstätt ausgebaut. 1956 und 2015 wurde die farbige Eindeckung (Wappen) erneuert.
Das wertvollste Ausstattungsstück, der Rosenkranzalter, stammt aus der Zeit um 1510/20 und wurde im Umkreis des Veit Stoß gefertigt. Er wirkt edel durch reichliche Gold- und Silberfarbe und markiert den Übergang von einer Epoche zur anderen. Die bewegte Volksfrömmigkeit des späten Mittelalters, die sich durch die vielen Heiligen ausdrückt, vermischt sich teilweise schon mit dem ruhigen Formgefühl der Renaissance, indem die vielen Figuren symmetrisch angeordnet und vom vollendeten Kreis des Rosenkranzes umfasst sind. Die Heiligen erscheinen wie Spiegelbilder der Lebenden und vermenschlichen den „Himmlischen Hof“.
Stadtbefestigung
Graben, Türme und Mauern entstanden im Wesentlichen in der Zeit zwischen 1332 und 1440. Im Bereich des Oberen Tores ist bis in die Gegenwart hinein die trutzige Wehrhaftigkeit der Eschenbacher Befestigungsanlage gut zu erkennen. Der tiefe Graben, der kompakte Torturm, die hohe innere Mauer, verstärkt noch mit einem Zwinger und einer zweiten äußeren Mauer, vermitteln den Eindruck, dass Eschenbach regelrecht zur Festung ausgebaut wurde. Die Mehrteiligkeit und das Maß der Gliederung machen das Wehrsystem zu einem Kunstwerk.
Lediglich im Nordosten, wo das Eschenbachtal mit einer Reihe von Weihern schon guten Schutz bot, verzichtete man auf einen zweiten Mauerring mit Bastionen.
Prachtstraße
Die obere Hauptstraße wurde ab dem frühen 15. Jahrhundert in eine Prachtstraße verwandelt. Es entstand ein spannungsreiches Mit- und Gegeneinander von hoher Kirchturmfassade und geschwungener Straßenanlage. Nach dem Durchschreiten des Oberen Tores wird der Besucher wie von einem Zauberstab nach vorne gelockt. Mit jedem Schritt schieben sich andere Häuser in den Vordergrund, bieten sich neue Perspektiven.
Im kraftvollen Rhythmus staffeln sich rechter Hand zuerst drei mächtige Giebelhäuser mit reichem Fachwerk. Dem „Kocherhaus“ von 1686 folgt das „Lammswirtshaus“ von 1412. An diesem Haus läßt sich der mittelalterliche Charakter des Fachwerkgerüsts in Säulenbauweise noch gut ablesen. An der benachbarten „Stadtschmiede“ , die ebenfalls 1412 errichtet wurde, zeigt sich schon die neuere Technik der Stockwerksbauweise.
Wie als Kontrapunkt gegenüber diesen wuchtigen Ackerbürgerhäusern entstanden in der Renaissance vor der Silhouette des Kirchturms elegante, herrschaftliche Gebäude. 1609 wurde die ehemalige „Fürstenherberge“ erbaut. Die breite, fünfachsige Traufseite, das hohe Dach und der feine Sgraffitoputz verleihen dem Haus Grandezza. Daneben gehört das einstige Amtshaus des Deutschordens-Vogtes, die „Alte Vogtei“, ungefähr derselben Zeit an. Als der stattliche Fachwerkbau vollendet war, blendete man 1610/17 der Giebelseite das eigentliche Prunkstück vor: das Portal aus Sandstein. Es stellen sich verspielte, edle Formen zur Schau: Säulen und Wappen, ein flacher Bogen, ein waagerechter Stab mit Perlenschnur, darüber ein ovales Fenster und der bekrönende dreieckige Giebel.
Marktplatz
Ende des 16. Jahrhunderst reifte beim Deutschen Orden die Idee heran, das Zentrum der Stadt repräsentativ zu erneuern. Im Geist der Renaissance rückte man jetzt neben den Kirchenbau das Zeichen weltlicher Macht. Größtenteils in den Kirchhof hinein, südlich vor die neue „Zehntscheune“ von 1596/97, platzierte man 1623 das „Deutschordensschloss“.
Die Schauseite des Schlosses demonstriert wie keine andere Fassade im Ort herrschaftlichen Glanz und gehört zu den Meisterwerken der Renaissancebaukunst in Franken. Gleich einem Zitat von mittelalterlichen Burgtürmen und Ritterlichkeit, springen ab dem zweiten Geschoss kantige Ecktürme mit Zwiebelhauben hervor; im Gegenzug laufen mehrere waagerechte Gesimse quer über die Front, während oben ein geschwungener Giebel thront. Die Balance aus vertikalen und horizontalen Elementen, der Wechsel von rechtwinkligen und geschwungenen Formen, das Gleichgewicht von Strenge und Lässigkeit: all das sorgt für Eleganz und einen Hauch von Romantik. In der Mitte des dritten Geschosses erkennt man das Prunkwappen des Hoch- und Deutschmeisters, des Erzherzogs Karl von Österreich.
Heute dienen "Schloss" und "Zehntscheune" als Bürger- und Rathaus, während daneben im „Alten Rathaus“ von 1684/85 jetzt das Museum Wolfram von Eschenbach untergebracht ist. Es präsentiert sich ein dreigeschossiger, barocker Fachwerkbau, der wie ein großes hohes Schiff am Marktplatz frei vor Anker geht. Zwischen "Schloss" und "Altem Rathaus" weist der „Kirchturm“ schließlich wie ein Zeigefinger zum Himmel, bildet den ruhenden Pol der Stadt und erweitert die Dimensionen.
Schloss-, Kirchturm- und Rathausfassade ergeben ein Gefüge, wie es selten zu finden ist. Der Palast der Macht, das Gebäude des Glaubens und das Gemeinschaftshaus der Bürger stehen in enger und geglückter Beziehung zueinander. Überlegt fasste man um die Kirche herum Bauten zu einer monumentalen Gruppe zusammen, die das Selbstgefühl des Deutschen Ordens und den Stolz der Bürger zum Ausdruck brachten.
Kurzinformationen über die Stadtgeschichte von Wolframs-Eschenbach:
Ausführliche Literatur
Diese Bücher können gegen Rechnung bei der Stadtverwaltung (Tel. 09875/9755-32), E-Mail: info@wolframs-eschenbach.de oder direkt im Museumsbuchladen, Wolfram-von-Eschenbach-Platz 9, 91639 Wolframs-Eschenbach bezogen werden.